„Gärtnern, lohnt sich das?“ Meine Antwort mit Blick auf die Zukunft

In der Zeitung lese ich die Frage: „Hilft Gärtnern beim Sparen in schweren Zeiten?“ Und sie wird dort eher mit Nein beantwortet. Da möchte ich nachhaken und ein klares Jein schreiben.

Ob es sich für die einzelne Person lohnt, kommt darauf an. Auf die vorhandenen Ressourcen, auf Erfahrung, Wissen und verfügbare Zeit.

Ich zum Beispiel habe vor drei Jahren mit Gärtnern begonnen.

Mein erstes Projekt war ein Kompost. Seither pfusche ich fröhlich vor mich hin. Ich lerne und lese über Mischkultur und Permakultur, probiere aus, übernehme mich regelmäßig, wie sich das so gehört. Und vernachlässige den Garten ein anderes Mal wieder, weil andere Projekte eigentlich wichtiger sind. Aber immerhin habe ich einen.

 

Anfangsinvestitionen an Geld, Energie und Zeit

Nach drei Jahren Gemüsegarten kann ich sagen: Der Anfang ist mit finanziellen Investitionen verbunden, die muss man sich leisten können. Es kostet viel Arbeit, Zeit und Energie. Auch das Wissen muss erst noch aufgebaut werden, so dass die Erträge niedrig sind.

Wir haben in der Summe weit mehr ausgegeben als rausgezogen. Es gibt so viel zu kaufen: Rankhilfen, Erde, Sand, Mulch, Schneckenzaun, Schnellkomposter, Gartengeräte, Schutznetze, Wassertonne, Saatgut und Setzlinge… kein Ende abzusehen. Dazu kommen dumme Fehler und normaler Schwund.

Eine erfahrene Gärtnerin hingegen mit einem bestehenden Gemüsegarten braucht den Sommer über kaum zuzukaufen, und macht vielleicht noch für den Winter ein. Das rechnet sich. Das läuft und kostet nicht viel. Leute auf dem Land in einem abbezahlten Haus und mit kleiner Selbstversorgung können jetzt manches gelassen sehen und abwarten, trotz Krise.

Aber nochmal die Frage:

Lohnt es sich frisch mit Gärtnern anzufangen, um Geld einzusparen?

Das kommt darauf an …

Sich schnell in heroischer Anwandlung ein Hochbeet bei Obi zu kaufen und mit Säcken voll Erde zu befüllen, nur um ein bisschen Salat zu pflanzen – diese Ausgaben werden sich lange nicht amortisieren. Aber darauf kommen sowieso nur Leute (und das Geld dazu haben nur solche überhaupt zur Verfügung), die nicht auf jeden Cent schauen müssen.

Ein Hochbeet selbst zu bauen und die nötige Erde durch eigenen Kompost zu gewinnen und selbst zu säen, könnte sinnvoll sein, doch das muss frau erstmal können, dazu muss genug Zeit und Gesundheit da sein, und es braucht Vorlauf.

Armen Menschen in einer kleinen Stadtwohnung brauche ich das alles sowieso nicht zu empfehlen. Für viele von ihnen wäre das Hohn. Wenn Gas auf einmal 1800 Euro im Jahr kostet statt 800 und alles gleichzeitig teurer wird, lässt sich das nicht durch Eigenanbau von Basilikum ausgleichen.

Da braucht es andere Hilfen. Und dazu muss der politische Wille da sein. Spartipps von Leuten mit festem Einkommen sind da fehl am Platz.

 

Pfiffige sparsame Lösungen

Wer aber Zeit und Kräfte und Platz hat und sich auskennt oder findig ist, kann einiges selbst machen, und das auch sparsam:

  • Vorhandene Töpfe, Kübel, Wannen bepflanzen
  • Sich Setzlinge und Saatgut schenken lassen, die Leute übrig haben oder Organisationen versenden
  • Eigene Erde durch Kompostieren gewinnen
  • Dafür Laub und Rasenschnitt vom Nachbarn erbitten
  • Oder einfach mal ein Stück Erde mit Pappen und Mulch abdecken und eine Weile warten. Die Erde wird dadurch satt und prachtvoll und kann später bepflanzt werden, so wie sie ist.

Und wer diese Möglichkeiten nicht hat?

Kann vielleicht zu einem Community Garden gehen.

Oder einer Person mit Garten Hilfe anbieten, die nicht mehr die nötigen Kräfte hat, und dafür Ernte bekommen.

Auch das Sammeln von Essen ist eine Möglichkeit (Obst, Pilze, Kräuter).

Das Internet ist voll von Tipps für diese Art zu gärtnern. Und das ist auch gut so, denn:

 

Wir müssen das Gärtnern erst wieder lernen

Die wenigsten von uns sind mit Bauerngärten aufgewachsen. Wir müssen es uns aneignen. Zum Glück gibt es dazu wirklich eine Fülle von Quellen, wie Bücher, Blogs, YouTube-Kanäle.

Die Recherche lohnt sich. Viele teilen fundiertes Wissen bereitwillig.

Ein schöner Anfang könnte der Blog Wurzelwerk von Marie Diederich sein oder ihr sehr ergiebiger YouTube-Kanal Wurzelwerk. Sie hat auch ein Buch über Selbstversorgung veröffentlicht. Mit ihrem Studium der ökologischen Landwirtschaft und ihrem Selbstversorgungsgarten hat sie viel Wissen, das sie wunderbar verständlich aufbereitet.

Zwei weitere Quellen mit nachhaltigen Tipps zum Selbermachen, sind Utopia und Smarticular.

 

 

Wie lohnt sich das Gärtnern?

Wie würde ich nun anfangen, wenn ich damit wenig Geld ausgeben, aber viel Profit herausholen möchte?

  • Teure Dinge, die superlecker schmecken, selbst pflanzen, wie Erdbeeren.
  • Ergiebige Pflanzen wie Zucchini anbauen, wo eine einzige Pflanze viel Ertrag abwerfen kann.
  • Selbst ansäen statt Setzlinge zu kaufen.
  • Murkelige Pflanzen günstiger oder kostenlos bekommen und hochpeppeln.
  • Auf mehrjährige Pflanzen setzen, die immer wiederkommen oder leicht neu gesät werden können.

 

Mehrjährige Pflanzen

  • Wenn du zum Beispiel Kräutertee magst, kannst du einmal Minze und Melisse kaufen und sie dann von Jahr zu Jahr mehr im Garten wuchern lassen. Im Sommer frisch, im Winter getrocknet, kostet es nicht viel und kann Geld für Schwarztee und Kaffee einsparen. (Wenn du sie aber nicht magst, oder deine Familie nichts damit anfangen kann, sparst du auch nichts ein, selbst wenn die Pflanzen ab dem zweiten Jahr kostenlos sind …)

  • Viele Kräuter wie die Zitronenverbene sind auch mehrjährig, wenn sie im Haus überwintert werden; sie schmeckt lecker zitronig stimmungsaufhellend.

  • Sehr praktisch ist die Ringelblume, die sich selbst aussät oder deren Samen leicht geerntet und im neuen Jahr wieder ausgesät werden kann. Sie geht für Tee frisch und getrocknet; man kann selbst Heilöl oder Salbe damit herstellen.

  • Auch beim Borretsch ist es mir aufgefallen, dass er recht freigebig seine Samen um sich herum verteilt und kostenlos für neuen Borretsch sorgt, den Bienen lieben. Im neuen Jahr kommt er an überraschenden Stellen ganz von selbst wieder.

  • Mehrjährige Gemüse wie Strauchkohl und Winterheckenzwiebel könnten sich lohnen, wenn man den Geschmack mag. Einmal pflanzen, jahrelang ernten. Das nur als Beispiele.

 

Pflanzen, die im nächsten Jahr erneut gesetzt werden können

Von grünen Bohnen kann man schon im ersten Jahr selbst die Bohnen ernten und diese im nächsten Jahr wieder stecken. Kommen zuverlässig wieder.

Knoblauch ist auch dankbar, aus jeder Zehe wird eine ganze neue Knolle. Im Oktober stecken. Gut bei Erdbeeren.

Dasselbe gilt für Kartoffeln, die auch auf einem Balkon in Säcken oder Taschen gepflanzt werden können: Einige Kartoffeln übrig behalten und dunkel und kühl überwintern. Aus jeder wird im nächsten Jahr eine neue Pflanze. Allerdings braucht es Platz, um eine nennenswerte Menge von Kartoffeln zu ziehen.

Allerdings sind das natürlich keine schnellen Gamechanger, wenn das Geld an allen Ecken fehlt.

Und es braucht Vorlauf, bis es sich trägt.

 

 

Der natürliche Trend zum Gärtnern

Wenn ich spazieren gehe, sehe ich überall Beete und Hochbeete, die vor einigen Jahren noch nicht da waren. Die Leute haben sie in der Pandemie angelegt und aufgebaut.

Ich glaube und hoffe, dass der neu entstandene Trend zum Gärtnern bleibt, und dass er wächst.

Warum?

Weil Selbstversorgung – Subsistenz – eigentlich normal ist. Es ist merkwürdig, mit Essen völlig von anderen abhängig zu sein.

Heute kommt die Idee der Selbstversorgung manchen weithergeholt vor. Wer immer nur im Laden gekauft hat, findet es altmodisch und beschwerlich.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass sie verschwunden ist:

Selbstversorgung ist näher, als wir denken

Paris war im Pferdezeitalter noch selbstversorgend mit tausenden Beeten, die ganzjährig bepflanzt wurden. Das habe ich überrascht im Buch Die Humus-Revolution – Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen erfahren.

Noch in den 1970ern war auch bei uns in Mitteleuropa ein kleiner Selbstversorgungsgarten üblich, zum Beispiel auch vor den Häuschen einer Arbeitersiedlung. Küchenkräuter, Salat, ein paar Gemüse und Beeren hatten viele Leute im Garten.

Und in den Achtzigern gab es noch einen richtigen Nähboom.

 

Eine Delle in der Selbstversorgung

Das alles haben wir mit den tollen billigen Waren ab den Neunzigern dann plötzlich nicht mehr gebraucht.

Kann man ja im Supermarkt kaufen, beim Discounter, im Onlinehandel. Die Stoffläden und Schnittmuster verschwanden. Billige Klamotten in immer mehr Saisons pro Jahr waren verfügbar und wurden aggressiv beworben. So auch beim Essen: Es wurde superbillig, obwohl es von weither kam.

Gut für die Kassen der Konzerne. Schlecht für die Gesamtheit.

Essen wird unter Ausbeutungsbedingungen hergestellt und um die halbe Welt geschippert. Riesige Seen sind fast verschwunden, weil das Wasser für Baumwollernte aufgebraucht wurde. Es ist zum Weinen.

Das alles hat uns da hingebracht, wo wir jetzt sind.

 

Umdenken: Jedes bisschen zählt

Erst in den letzten Jahren fand allmählich bei mehr Menschen ein Umdenken statt.

Und jetzt haben wir eine Energiekrise und Umweltprobleme, die unübersehbar geworden sind, die bedrohlich sind und sich nicht mehr auf „später, später, später“ verschieben lassen.

Und deshalb denke ich, dass schon jetzt jedes bisschen Selbstversorgung zählt.

Jeder Topf, jeder Kübel, jedes Hochbeet.

Jede laienhafte Hobbygärtnerin, die sich wie ich an verschiedenen Gemüsen versucht und den Großteil immer noch kauft.

Langfristig lohnend

All das ist eine Hilfe für unser Gesamtsystem, weil es Sprit für den Transport spart, weil es Verpackungsmaterial und jede Menge CO 2 einspart.

Es bewahrt unsere kostbare Humusschicht und erhöht unsere Ernährungskompetenz für die Zukunft.

Wenn ich jetzt mit Anfang 50 meine Fehler mache, kann ich es vielleicht mit 60 gut genug, um es noch Jahre weiterzuführen.

So wie die Menschen auf Okinawa noch mit 100 leichte Gartenarbeiten machen. Darüber schrieb ich hier: Ikigai: Gesund und glücklich hundert werden [Buchbesprechung]

 

Der bleibende Trend zum Gärtnern

Meine Hoffnung für Selbstversorgung ist die: Wenn es insgesamt wieder üblicher wird, ein bisschen zu gärtnern, wenn das Gärtnern ein ernstzunehmender großer Trend wird und bleibt – das kann viel ändern.

Als Schwarm bilden wir neuen fruchtbaren Boden.

Als große vernetzte Gruppe setzen wir auf dauerhaft sinnvolle Techniken.

Gärtnern ist gut für die Allgemeinheit:

Jedes Beet, jeder Garten macht die gärtnernden Haushalte resilienter und unabhängiger. Auch die Menschen um sie herum profitieren, die etwas abgegeben bekommen von von Zucchinischwemme und Salat aus dem Hochbeet, von Kräutern und überzähligen Tomatenpflanzen.

 

Und das Ganze lohnt sich.

 

Wie ist es bei dir, hast du einen Garten? Ein Hochbeet? Kräuter auf dem Fensterbrett?

Welche Pflanzen würdest du empfehlen?

Möchtest du von mir mehr übers Gärtnern lesen?

Lass mir mal einen Kommentar da.

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