Wie sollen wir mit der Unsicherheit und den Sorgen umgehen? Wie können wir unsere Fassungslosigkeit überwinden und innere Balance entwickeln? Fünf wirksame Strategien zum Umgang mit Unsicherheit.
Vor der US-Wahl hatte ich größte Bedenken und gruselte mich, wie so viele von uns. Da war diese heimliche Spannung, die ungläubige Angst:
Stell dir vor, Trump würde wieder gewählt werden. Das wäre zu schlimm, um auch nur darüber nachzudenken. Das kann ja auch gar nicht sein. Was der alles von sich gibt und vorhat! Sie können den doch nicht ernsthaft noch einmal wählen. Und das auch noch unterstützt vom reichsten rechtsextremen Mann der Welt. Beide überzeugt rechtsradikal, machtbewusst und durchgeknallt. Es darf nicht sein.
Aber davor ist davor.
Du weißt es noch nicht. Alles scheint möglich. Harris hätte eine Chance haben können, trotz der kurzen Zeit ihres Wahlkampfs.
Dann die ersten Hochrechnungen, und der Schock in der Morgenstunde: Deutlicher Sieg für Trump. Mir wurde kalt, mir wurde übel.
Umgang mit Unsicherheit: Gefühle zulassen🙈😱😭🤯🤦🏼♀️🤪😰
Am Tag, als das Ergebnis da war, erlaubte ich mir, im Schockzustand zu sein und sehr sanft mit mir umzugehen.
Ich betrachtete meine Emotionen, meine körperliche Reaktion und meine Gedanken. Ich wollte und konnte es nicht ignorieren oder wegschieben. Ich wollte zuhören, um schwingungsfähig zu bleiben. Wenn ich es für mich tun kann, kann ich auch für andere Menschen eher da sein, wenn es nötig wird.
Und ich weiß, es ist normal, dass die Gedanken im Schreck wild losrasen oder gelähmt sind oder beides abwechselnd.
Also beruhigte und tröstete ich mich wieder und wieder. Ich sprach direkt zu meiner Angst: „Shhh, ich bin für dich da. Shhh, ganz ruhig, ich bin für dich da.“
Emotional pendelte ich zwischen starken Gefühlen und beruhigender Selbstfürsorge hin und her. Ich wusste, das musste für diesen Tag an Balance ausreichen.
Welche Gefühle?
Welche Gefühle waren vorhanden? Es ist gut, das genau zu betrachten. Das habe ich hier näher beschrieben: Es tut mir leid, was du durchmachst [Brief von Mitgefühl]
- Schock, Angst, Trauer waren bei mir vorherrschend.
- Die blanke Angst, was auf uns zukommt. Wohin sich die Welt bewegt. Auch ein Gefühl von Kontrolllosigkeit.
- Dann bittere Trauer und Mitgefühl mit allen Menschen, auf die so viel unnötiges, unabwendbares Leid zukommt.
- Auch Trauer, dass wir in der Politik keine Einigkeit erzielen können, wo wir sie so dringend brauchen.
- Dann Trauer und Verzweiflung über die unglaubliche Verblendung, denn rechtsradikale Positionen haben noch nie etwas besser gemacht.
Ein totalitäres System ist immer zerstörerisch. Es ist nicht für die Menschen da – auch nicht für die, die es aus Sorge wählen. Es bringt nichts in Ordnung, sondern macht alles nur noch schlimmer.
Mir half es, meine Gefühle und Bedenken aussprechen zu können und Verständnis zu finden. Das ist etwas, was wir füreinander tun können.
Wie ging es dir damit?
Wie bist du damit umgegangen?
Düstere Zeichen
Dass Donald Trump wieder ins Amt gewählt wurde, rüttelt an den Vorstellungen von Fortschritt, Gleichberechtigung und sozialem Frieden – Werte, die für mich zum Kern eines erfüllten und authentischen Lebens gehören.
Viele spüren, dass unsere Visionen von einem achtsamen und gerechten Miteinander herb auf die Probe gestellt werden. Wie können wir mit dieser Enttäuschung und auch mit dieser Angst umgehen, ohne unsere innere Balance zu verlieren?
Die fortschrittlichen Kräfte in den USA sind absolut niedergeschmettert und ringen darum, nicht einfach nur in Angst und Depression zu verfallen.
Man kann die Wirkung dieser Wahl kaum unterschätzen.
Amerika ist seit Jahren ein gespaltenes Land. Aber es stand grundsätzlich für demokratische Werte, und die können wir auf dem Planeten gerade verdammt gut gebrauchen. Die Wahl stärkt den Totalitarismus und das gegenseitige nationale Abschotten statt gesunde Kooperation.
Das ist auch zugleich eine Abkehr von Klimaschutz, und da wird einem angst und bange, denn das können wir uns überhaupt nicht mehr leisten.
Am selben Abend wurde bekannt, dass die aktuelle deutsche Regierungskoalition beendet war. Seither schlagen die Wellen hoch, gegenseitige Vorwürfe und Abwertungen sowie Machtgerangel beherrschen die Szene.
Ziemlich unerträglich. Es ist nicht nur die Unsicherheit, die belastet; es sind auch die Spannung und der Streit.
Wie können wir damit umgehen? Wir müssen vorsichtig sein, um uns nicht noch mehr aus der Balance bringen zu lassen. Denn das dient nur wieder radikalen Kräften.
Hier fünf Strategien zum Umgang mit Unsicherheit.
Strategien gegen Daueralarm und Hoffnungslosigkeit
Strategie 1: Nachrichten vorsichtig dosieren – Gefahr: Doom-Scrolling
Ja, wir mussten uns informieren. Doch nach politischen Großereignissen passiert es sehr leicht, am laufenden Band nach neuen schlimmen Nachrichten und Meldungen zu blättern. Auf Englisch Doom-Scrolling genannt, also scrollen, um Untergangsmeldungen zu lesen.
Ich muss da besonders aufpassen, denn mein Nervensystem als Teenager wurde durch starke Ängste geprägt. Kalter Krieg, Angst vor einem Atomkrieg, saurer Regen, Waldsterben, Thatcher und Reagan – die Nachrichten fühlten sich wie ständiger Weltuntergang an.
Das Lesen solcher Meldungen kann sich schnell zu einem süchtigen Suchen nach dem nächsten Schocker entwickeln.
Dies erhöht den Alarm und zugleich die Hilflosigkeit.
Und es ist nie genug! Es kann zur Abhängigkeit nach dem nächsten Adrenalinkick und dieser krassen Gefühlsmischung werden. Daher Vorsicht:
=> Strategie 1: Dosiere politische Nachrichten aller Art vorsichtig und bewusst.
Nun habe ich mir vorgenommen, ab jetzt wieder vorsichtiger zu sein mit Nachrichten etc. Eine Strategie ist zum Beispiel, nur noch jeden zweiten, dritten Tag den Stand zu lesen und damit den Sog der Angst regelmäßig wieder zu unterbrechen.
Wenn ich merke, dass ein Kanal, eine bestimmte Art von Meldungen oder Informationen besonders alarmierend und damit toxisch wirken, nehme ich mehr inneren Abstand oder fahre das zurück. Dazu hat niemand das Recht. Die Sachen sind schlimm genug, wie sie sind, ohne dass das jemand noch schlimmer machen muss!
Davor will ich mich schützen. Denn es dient nicht mir und auch keiner guten Sache, wenn ich mich überflutet fühle.
Strategie 2: Negativ-Fantasien ausbremsen – Gefahr: Katastrophisieren
Eine Gefahr ist auch, sich negativen Fantasien zu sehr hinzugeben. Man nennt das Katastrophisieren, und es ist ein depressives Denkmuster. (Nach Aaron Beck, dem Vater der kognitiven Verhaltenstherapie.)
Es ist auch dann ein depressives Denkmuster, wenn es von Politikern ausgeht, die davon profitieren, wenn sie Leute ängstlich, wütend und verrückt machen können. Und auch dann, wenn es in Zeitungen oder Magazinen steht, weil solche Sachen nunmal am häufigsten gelesen werden. Dass die Themen jetzt akut sind, bedeutet nicht, dass wir uns alles gefahrlos reinziehen können.
Weitere solche depressiven Denkmuster sind übrigens Schwarz-Weiß-Denken, ein einseitig negativer Wahrnehmungsfilter, Gedankenlesen, Persönlichnehmen usw. Vielleicht findest du manches in dieser Liste wieder, was dir aktuell täglich innen und außen begegnet. Kein Wunder geht es uns nicht gut.
Wie ist ein guter Umgang mit Angst in ungewissen Zeiten?
=> Strategie 2: Bremse deine Negativ-Fantasien aus und setze einen Stop.
Angst ist verständlich! Auch ich bin äußerst besorgt. Ich denke, wer gar nicht besorgt ist, hat die Situation nicht verstanden.
Aber jetzt gleich den Untergang des Westens zu proklamieren oder den Sieg irgendeiner der Supermächte, ist zu viel.
Wir wissen das noch nicht.
Vorsicht vor Lähmung und Hoffnungslosigkeit.
Hier einen Stop setzen. „Wir wissen es noch nicht.“ „Es könnte auch anders sein.“
Ich will mir die Wucht der negativen Vorannahmen nicht ständig zumuten.
Strategie 3: Emotionen und Gedanken ausformulieren – Gefahr: Ignorieren und Wegdrücken
Ebenso wenig hilft es meines Erachtens weiter, alles nur zu ignorieren und so zu tun, als würde es uns emotional nicht berühren – oder nicht betreffen.
Es betrifft uns sehr wohl. Wir sind Teil dieser Welt. Unentrinnbar mit allen verbunden.
Für unsere negativen Gefühle offen und damit schwingungsfähigkeit zu sein, führt zur emotionalen Resilienz bei Krisen.
=> Strategie 3: Formuliere deine Emotionen und Gedanken in einem geschützten Rahmen aus.
Die eigenen Gedanken auszuformulieren hilft, weil es die Gefühle und den Verstand zusammenbringt. Es kann schriftlich oder in einem Gespräch mit Vertrauten passieren oder in Kontemplation. Wenn du eine Therapie hast, kann es auch dort besprochen werden.
Der Vorteil dabei: Es verbindet Verstand und Gefühl und erhöht damit die gesunde Autonomie.
Der Verstand kann die starken Gefühle hören, aussprechen und akzeptieren. Die Gefühle können Verständnis erhalten, was unglaublich tröstlich ist, und sie können verstehen, dass sie nicht allein auf der Welt sind.
Noch zwei weitere Strategie habe ich für dich, mit denen du Selbstfürsorge bei gesellschaftlichen Veränderungen leben kannst. Und sie sind universell und zentral wichtig für jedes Leben.
Strategie 4: Verbundenheit betonen – Gefahr: Gefühl von Isolation und Trennung
Du bist nicht allein.
Gerade jetzt ist es entscheidend, in Verbindung zu bleiben – mit Menschen, die ähnliche Werte teilen, und in Räumen, in denen gegenseitige Unterstützung zu finden ist. Sich auszutauschen und zu spüren, dass man nicht allein ist, gibt Kraft und erinnert uns spürbar daran, dass die Hoffnung auch in schwierigen Zeiten bestehen kann.
Gemeinschaft kann im Angesicht negativer Ereignisse sogar noch mehr aufblühen im Bestreben, uns gegenseitig zu stärken.
=> Strategie 4: Pflege aktiv Verbindungen und Verbundenheit.
- Welche Verbindungen willst du positiv pflegen? Welchen Kontakt aufnehmen?
- Was tust du bereits für andere?
- Wo empfindest du Einbindung, Gemeinschaft und Verbundenheit?
Uns darüber bewusst zu sein, kann uns viel Stärke geben.
Strategie 5: Kreativität verstärken – Gefahr: Die eigenen Angelegenheiten vernachlässigen
Bist du ein kreativer Mensch? Dann kennst du auch innere Widerstände! Denn sie gehen mit dem Wunsch nach Verwirklichung Hand in Hand.
Politische Krisen sind eine Steilvorlage für das Vernachlässigen unserer Kreativität. Niedergeschlagenheit kann sich leicht auf die Inspiration legen. Und die nachwachsenden Krisen bilden auch nachwachsende Gründe, vor dem Eigenen davonzulaufen.
Kreativ sein ist eine Strategie der Selbstfürsorge bei gesellschaftlichen Veränderungen.
=> Strategie 5: Gehe trotz allem deinen kreativen Zielen nach.
In Zeiten der Verunsicherung kann es auch hilfreich sein, bewusst Momente der Ruhe zu suchen. Vielleicht sind es ein Spaziergang in der Natur, kreative Ausdrucksformen wie Schreiben oder Malen, oder einfach eine Pause, um sich neu zu erden. Solche Pausen schaffen Raum für Reflexion und verhindern, dass uns die Ereignisse überwältigen.
Verlange keine Höchstleistungen. Es muss auch nicht die Arbeit an einem Werk sein. Aber Kreativität in kleinen Dosen zu leben, ist zutiefst gesund und heilend.
Und vielleicht können wir dadurch Wertvolles zur Gemeinschaft beitragen.
Das sind die fünf Strategien im Umgang mit Unsicherheit:
- Dosiere politische Nachrichten aller Art vorsichtig und bewusst.
- Bremse deine Negativ-Fantasien aus und setze einen Stop.
- Formuliere deine Emotionen und Gedanken in einem geschützten Rahmen aus.
- Pflege aktiv Verbindungen und Verbundenheit.
- Gehe trotz allem deinen kreativen Zielen nach.
Nun noch ein Schluss-Gedanke: Wie können wir mit Unsicherheit umgehen? Was fangen wir an, wenn unsere Ideale sich in der Welt nicht widerspiegeln, in der wir leben?
Unsere wahren Werte: Wie wollen wir leben? Was wollen wir beitragen?
Wir alle stehen jetzt vor der Aufgabe, uns auf das Wesentliche zu besinnen mit Fragen wie diesen:
- Wie will ich wirklich leben, was sind meine wahren Werte? Kann ich mich noch aktiver dafür einsetzen?
- Was sind meine Gefühle, zu welchen Handlungen drängen sie mich?
- Wie kann ich mich trotz allem immer wieder stark fühlen und auf Augenhöhe mit der Welt?
- Wie kann ich meine innere Balance üben und pflegen?
- Was kann ich beitragen? Was trage ich schon bei?
- Welchen Umgang wünsche ich mir? Wie kann ich diesen stärken?
In Zeiten, die uns emotional herausfordern, ist es umso wichtiger, dass wir unsere Ideale und unsere Lebensweise überdenken und diese Krisen als Gelegenheit nutzen, gestärkt daraus hervorzugehen.
Nächste Schritte: Was kannst du konkret zum Umgang mit Unsicherheit tun?
Um diese Gedanken direkt in dein Leben zu integrieren, überlege dir:
- Welche Strategie möchtest du als Erstes ausprobieren? Notiere dir eine konkrete Aktion, wie z. B. „An drei Tagen in der Woche bewusst auf Nachrichten verzichten“ oder „Täglich zehn Minuten in Stille verbringen, um deine Gedanken zu ordnen.“
- Wen möchtest du in deinen Prozess einbinden? Denke an Menschen, mit denen du über deine Gefühle sprechen oder neue Verbundenheit schaffen möchtest.
- Wie kannst du deine Kreativität fördern? Plane bewusst Zeit für eine kleine kreative Aktivität ein, um trotz aller äußeren Einflüsse in Kontakt mit dir selbst zu bleiben.
Diese Schritte helfen dir, die Unsicherheiten dieser Zeit aktiv zu bewältigen und deinen Weg zu einer inneren Balance zu finden.
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