Du hast meinen englischen Talk beim Dare to Soar Telesummit 2025 verpasst? Kein Problem – hier findest du die wichtigsten Inhalte noch einmal auf Deutsch zusammengefasst. Ob du schon lange als Scanner unterwegs bist oder gerade erst festgestellt hast, dass du zu den Menschen mit „zu vielen Interessen“ gehörst: Dieser Beitrag bringt Orientierung, Ermutigung und viele praktische Ideen.
Es ist eine Zusammenfassung des englischen Vortrags vom 8. Februar 2025. Wenn du tiefer einsteigen möchtest, findest du unten auch verwandte Artikel und das Gedicht „Mein persönliches Universum“ als poetische Essenz dieser vielseitigen Lebensweise.
Was heißt hier „zu viele Interessen“?
Im April 2009 stieß ich auf Barbara Shers Refuse to Choose – und meine Welt veränderte sich. Plötzlich wurde mir klar: Es ist kein Fehler, „zu viele Interessen“ zu haben – es ist eine Lebensweise. Es hat einen Namen: „Scanner“.
Barbara Sher beschrieb Scanner als Menschen, die leidenschaftlich neugierig auf viele verschiedene Dinge sind. Sie scannen die Welt mit ihrer nimmermüden Neugier nach etwas Neuem ab, das sie fasziniert und ihren Geist anspricht.
Im Gegensatz zu Spezialist:innen wollen wir Vielseitigen uns nicht auf nur einen Weg festlegen – wir wollen entdecken, erschaffen und in vielen Feldern lernen.
Später prägte Emilie Wapnick den Begriff Multipotentialite, der die Idee bekräftigt, dass Menschen mit vielfältigen Interessen gedeihen können, ohne sich auf eine einzige Sache festlegen zu müssen.
Aber wie gelingt es uns, als Scanner wirklich aufzublühen? Wie können wir unser Potenzial leben, eine erfüllende Karriere gestalten und gleichzeitig ausgeglichen bleiben, während wir viele Leidenschaften jonglieren? Lass uns das gemeinsam erkunden.
1. Was ist ein Scanner – und warum ist das wichtig?
Meine Geschichte
Ich komme aus einer Familie mit vielen Interessen, daher fühlte es sich für mich ganz natürlich an, mich in viele verschiedene Richtungen zu entwickeln. Aber gleichzeitig wuchsen wir alle – auch in der Schule – mit der unausgesprochenen Botschaft auf, dass das irgendwie falsch sei. Damals wussten wir einfach nicht, was ein Scanner oder ein Mensch mit vielseitigen Interessen war – also fielen Sätze wie:
„Warum bleibst du nicht mal bei einer Sache?“
„Mach halt mal eines richtig!“
„Ohne Spezialisierung wirst du es nie zu etwas bringen.“
„Verschwende nicht dein Leben.“
Schmerzpunkt: Missverstanden werden
Zuerst verstehen dich andere nicht – und dann beginnst du, dich selbst nicht mehr zu verstehen. Du fühlst dich schuldig, beschämt, verloren. Das kann ganze Lebensläufe als negativer roter Faden durchziehen und sich wie ein grundlegendes Scheitern anfühlen. Das finde ich schlimm.
Der Wendepunkt: Barbara Shers Buch
2009 entdeckte ich Refuse to Choose – und plötzlich begann ich, meine weitreichenden Interessen nicht mehr als Schwäche zu sehen, sondern als Wesensnatur und Geschenk. Inzwischen ist zumindest im englischen Sprachraum das Thema viel präsenter, das Bewusstsein davon wächst. Dabei möchte ich auch gerne mithelfen.
Herausforderungen & Stärken eines Scanners
Die Vielseitigkeit hat wie jede Eigenart Vorteile und Nachteile:
- Nachteil: Schwierigkeiten beim Beenden von Projekten; sich zerstreut fühlen; Sehnsucht nach mehr Themen, als in ein Leben hineinpassen…
- Vorteil: Verbindungen erkennen, die anderen entgehen; schnell lernen und fachübergreifend innovativ sein…
Beispiele berühmter Scanner
In der Geschichte gibt es viele Beispiele von Leuten, die gerade durch ihre Vielseitigkeit überzeugten.
Natürlich Barbara Sher selbst, die vielseitig war. Hedy Lamarr (Schauspielerin und Erfinderin). Berühmt als Inbegriff des Renaissance-Menschen: Johann Wolfgang von Goethe, Leonardo da Vinci. Brillante Köpfe, die sich nicht auf eine einzige Leidenschaft beschränkten. Die Gesellschaft verliert Talente, wenn Scanner entmutigt werden, ihre Vielfalt zu leben.
Mini-Übung: Die Interessenslandkarte (es gibt nicht zu viele Interessen!)
Mach den 1-Minuten-Test: Schreib alle deine Interessen auf.
Brauchst du mehr Zeit? Viel mehr? Dann bist du vermutlich ein Vollblut-Scanner*, eine Vollblut-Scannerin!
Meine erste umfassende Interessen-Liste hatte viele, viele Seiten … Mir fiel immer mehr ein.
Erlaubnis:
Erkenne, wer du wirklich bist, indem du all deine Interessen und Leidenschaften sammelst. Schwelge in der Sammlung. Du musst dich nicht für nur eine entscheiden – finde deine ganz persönliche Kombination.
Fazit:
Du bist genau richtig, wie du bist. Finde heraus, was du wirklich liebst – und gib dir selbst die Erlaubnis, es zu tun.
2. Wie kann ich mein Potenzial leben? Wie kann ich all meine Interessen, Leidenschaften und Hobbys nutzen?
Okay – du hast erkannt, dass du vielseitig bist und dass das okay ist. Aber …
Herausforderung:
„Ich habe nicht genug Zeit für alles. Und ich kann nicht in allem gut sein.“
Wahrheit:
Was ich mir immer wieder selbst sage: Du musst nicht für jedes Interesse eine volle Ausbildung machen oder dich im Leben für nur einen Schwerpunkt entscheiden. Erlaube dir, in Dinge hinein zu schnuppern. Es baut sich mit der Zeit auf. Genieße den Prozess!
Ein Leben gestalten, das zu dir passt
Folge deiner Freude (Barbara Sher). Folge deiner Muse (Elizabeth Gilbert). Nutze Tools, um deine Neugier zu strukturieren:
- Scanner-Tagebuch – ein Ort für all deine Ideen (auch bekannt als „Commonplace Book“)
- Bereitschafts-Station – tägliche Mini-Dosen deiner Lieblingstätigkeiten. Richte dir kleine Ecken ein, die dich zum Dranbleiben einladen (z. B. Malzeug am Wohnzimmertisch).
Minimale effektive Dosis
Nimm die kleinste Dosis, die überhaupt irgendetwas bewirkt. Sie zählt!
Starte klein. Starte jetzt. Tu, was du liebst – und hör nicht wieder auf.
Beispiele: 5 Minuten singen auf dem Weg zur Arbeit, skizzieren beim Telefonieren, Podcasts beim Kochen hören.
Fazit:
Dein Weg, dein persönliches Ikigai (deine Bestimmung, dein Grund morgens aufzustehen) zu leben, ist an sich ein Kunstwerk. Stell dir dein Leben vor wie eine Patchwork-Decke oder Collage, die sich mit der Zeit wandelt.
3. Wie kreiere ich das Leben & die Karriere meiner Träume? (Oder: Wie bezahle ich die Miete?)
Häufiger Einwand:
„Aber Jana – ich hab doch gar keine Zeit für alles! Ich muss arbeiten und Geld verdienen!“
Ich verstehe dich vollkommen. Das geht mir genauso … Es gibt verschiedene Vorschläge, wovon Scanner leben könnten:
Vier Karrieremodelle für Scanner
- Der zufriedenstellende Job – sichert das Einkommen, während du nebenbei deine Leidenschaften lebst.
- Portfolio-Karriere – ein bunter Mix aus verschiedenen Jobs & Projekten, die sich gegenseitig abwechseln und ergänzen.
- Schirm-Beruf – ein übergreifender Beruf (z. B. Autor:in, Journalist:in, Psycholog:in), in dem viele Interessen zusammenkommen.
- Coach/Speaker-Modell – weitergeben, was du selbst gelernt hast – wie Barbara Sher.
Realitätscheck:
Sind wir realistisch: Keiner dieser Wege ist völlig mühelos und läuft stressfrei durch. Ich habe jedenfalls noch keinen kennengelernt. Mach dir daher nicht zu viel daraus, dass jeder dieser Wege – welchen auch immer du gewählt hast – regelmäßige Anpassungen und Bemühungen braucht, um immer noch balanciert zu sein. Wähle, was am besten passt, und justiere im Laufenden nach. Das müssen wir alle tun. Es ist normal.
Übung:
Wie kannst du heute schon mehr von dem tun, was du liebst – ohne gleich deinen Job zu kündigen? Finde kleine Schritte, mit denen du starten kannst, und erweitere deine geliebten Hobbies oder Interessen graduell.
Mein Beispiel:
Ich habe einen zufriedenstellenden Job (eigentlich auch ziemlich erfüllend) – und alles andere mache ich daneben, das Meiste davon, ohne Geld damit zu verdienen – einfach aus Freude. Ich singe, spiele Klavier und Gitarre, schreibe Songs und trete bei privaten Feiern auf. Ich male und zeichne, dichte und schreibe … Das ist auch Erfüllung. Das zählt.
4. Wie bleibe ich in Balance mit so vielen Interessen?
Natürlich kann das Ganze von Zeit zu Zeit durchaus überwältigend werden. Was, wenn du die Balance verlierst? Vor allem wenn du Vollzeit eine andere Arbeit machst; oder hochsensibel bist, chronische Krankheiten berücksichtigen musst oder andere „Empfindlichkeiten“ hast. Das erfordert viel Aktivität zum Ausbalancieren.
Realität:
- Du brauchst ein ganzes Repertoire an Strategien, um deine Balance zu halten.
- Wisse: Kreative Projekte bleiben oft unvollständig – und das ist okay.
- Nichts im Leben ist dauerhaft ideal – selbst dein Gleichgewicht ist selten perfekt.
Mein wichtigster Tipp: Mach „Balance finden“ zu einem deiner Interessengebiete!
Seelische Balance und körperliches Wohlbefinden brauchen sowieso ständige Aufmerksamkeit. Je mehr wir sie vernachlässigen oder auszuklammern versuchen, umso mehr Raum nehmen sie dann ein. Warum der Balance nicht einen eigenen Themen-Platz zuordnen und sich immer wieder bewusst darum kümmern? Sozusagen zunehmend freiwillig.
Meine Balance-Strategien:
Ich mache sehr, sehr viel für mich, jeden Tag:
- Bewegung, Meditation, Yoga, Massagetechniken, Tagebuch, klärende Gespräche … und vieles mehr.
- Entlasten: Realisieren, dass manche Projekte nicht fertig werden – und das ist okay. Unperfekt perfekt.
- Das Unmögliche realisieren: Kreativität ist unendlich! Es ist immer wieder eine Kunst, sie in kleinere Einheiten zu unterteilen, die in einem Leben Platz haben.
Fazit: Entwickle eine Scanner-Mentalität
Alles in allem geht es bei diesem Thema um ein anderes Denken, um einen Wechsel im „Mindset“ – eine neue, vielseitige Mentalität. So entwickelst du eine selbstbewusste Identität als vielseitige Person:
Erlaube dir selbst:
✅ Du selbst zu sein – mit all deinen Interessen und Facetten.
✅ Deiner Neugier und Freude zu folgen, deinem Gefühl von beglückender Inspiration.
✅ Wenn du irgendwo Tipps über Produktivität liest – pass sie so an, dass sie für dich als vielseitige Person passen! Lass weg, was nicht passt.
✅ Dein Leben selbst als Kunstwerk und sich entfaltenden Prozess zu sehen.
✅ Menschen wie dich zu finden – sie existieren!
✅ Dein inneres Gyroskop zu befragen, deinen inneren Kompass. Dein inneres Stimmigkeitswissen kann trainiert werden, und es kennt deinen Weg.
Welche Scanner-Strategie probierst du heute aus? 😊
Zum Abschluss ein Gedicht, das ich vor einigen Jahren geschrieben habe und das zum Thema passt:
Gedicht: Mein persönliches Universum
Ich bin einmalig im ganzen Universum.
Meine Gaben habe so nur ich
Nur ich kann mein Leben führen,
meine Gaben verwenden
und meinem Lebenszweck folgen,
der sich in ihnen zeigt.
Meine Gaben sind mir gegeben.
Sie stellen meine Bestimmung dar.
Meine Kreativität kann nur ich ausüben.
Dies zu tun, ist meine Gegengabe
an die schöpferische Kraft.
An die Welt.
Dazu bin ich verpflichtet.
Ich habe darüber nicht zu entscheiden.
Ich habe es zu tun.
Tun was mich beglückt.
Tun, was ich liebe.
Tun, was mir gegeben ist.
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Das Foto wurde mir freundlicherweise von (c) bahissat zur Verfügung gestellt. Es stellt die Decke einer Autobahnraststätte dar, ich weiß nicht mehr, welche es war.