Tun wir, was uns wichtig ist? In einem Leben, wo Alltag und Notwendigkeit zu viel Raum einnehmen – haben wir Zeit für das Schöne und Wichtige? Und wenn wir die Zeit haben, nutzen wir sie auch, oder wurschteln wir weiter oder ziehen uns Dinge von außen rein? Eine Art, die Ebene Richtung Bildhaftigkeit und Zeitlosigkeit zu wechseln, sind Gedichte.
Die beiden Gehirnhälften
Es ist nämlich auch eine Frage der Gehirnhälften:
Dominant ist in unserer Kultur die linke Gehirnhälfte (die unsere rechte Körperseite steuert).
Sie denkt sprachlich und in Strukturen, sie ist logisch und auf andere Menschen bezogen. Sie kennt oben und unten, richtig und falsch. Sie ist ängstlich und im Umgang damit tüchtig. Solange sie Kontakte zu absolvieren hat oder etwas zu erledigen, fühlt sie sich sicher.
Die „andere“ Gehirnhälfte denkt ganz anders: Das ist die rechte Gehirnhälfte, welche unsere linke Körperseite steuert.
Sie ist zeitlos strömend. Denkt in Bildern, spürt den Körper und darüber hinaus. Und lebt in Spiritualität und Verbundenheit. Sie ist neugierig auf das Leben und produziert kreative neue Ideen. Was auch immer das Leben präsentiert, sie wird daraus etwas Neues machen.
Mehr Raum für die rechte Gehirnhälfte
Ich finde, wir brauchen beide Seiten, um glücklich zu sein.
Auch wenn wir kulturell gesehen vielleicht für immer auf der sprachlichen und vernünftigen Seite existieren könnten, ohne dass es jemandem auffällt. Hauptsache, wir funktionieren?
Für uns selbst fehlt dann etwas Existenzielles. Wer weiß, wie viele seelische Probleme wir bekommen, weil hier ein Mangelzustand besteht.
Zumindest sollte es ausgewogen sein.
Eine Ausgewogenheit herstellen bedeutet, dass wir der bildhaften, zeitlosen Seite mehr Raum in unserem Lebensgarten geben. Damit sie nicht mehr von Tagesaufgaben, Sorgen und vernünftigen Checklisten überwuchert wird.
Auf die andere Gehirnseite wechseln
Wer aber ein künstlerisches Leben führt, nutzt viel mehr als der Durchschnitt die rechte Gehirnhälfte.
Umgekehrt macht es uns kreativer, wenn wir unseren Modus wechseln können.
Das ist auch erlernbar. Von wegen „Ich bin nicht kreativ“: Das könnte einfach eine Gewohnheit dessen sein, welche Gehirnhälfte wir vorrangig benutzen.
Und wie wechseln wir?
Arten, die Seite zu wechseln
- Gärtnern,
- zeichnen,
- verträumt ohne Gedanken etwas tun,
- in körperlicher Bewegung aufgehen,
- Musik,
- hinhören; hinschauen; präsent sein,
- alles, was mit Bildern zu tun hat,
- Staunen und Wunder.
Magische Momente aller Art.
Wir können von den nachwachsenden Notwendigkeiten umswitchen auf die Ebene des bildhaften Denkens.
Die Ebene des Körpers. Der Zeitlosigkeit. Der Geschichten und der Poesie.
Gedichte: Ebene wechseln mit Poesie
Eine Art, wie ich die Ebene wechsele, ist mit Gedichten.
Poesie ist zwar Sprache, aber sie drückt bildhaftes, emotionales, körperliches Erleben in Sprache aus. Also eine Mischung der beiden Gehirnhälften.
Schreiben verbindet beide Seiten. Ein wagemutiges Unterfangen.
Um ein Gedicht zu schreiben, stelle ich mich stark auf mein inneres Erleben ein.
Ich fahre feine Antennen aus und lausche. Fühle mich verbunden.
Poetische Wahrheit: Vollständiger werden
Das kann auch traurig und schmerzhaft sein. In Gedichten halte ich fest, was ist. Auch das Schmerzliche.
Das Tolle ist, überhaupt Zugang zu den Gefühlen und Gedanken zu haben und ihnen die Wichtigkeit einzuräumen. Dann können sie wirklich Teil von mir sein. Ich bin vollständiger.
Seit einigen Wochen schreibe ich wieder mehr Gedichte.
Ich gebe dir hier in diesem Artikel einige Gedichte von mir aus diesem Jahr zum Lesen.
Achtung: Entschleunigen vor dem Lesen
Doch bevor du beginnst, ein wichtiger Hinweis:
Versuche, zum Aufnehmen der Gedichte
vor dem Lesen deine Geschwindigkeit zu senken.
Atme mal durch.
Warum?
Auf Bildschirmen scannen wir mehr als dass wir lesen.
Wir überfliegen die Zeilen
schnell. Sind von unserem Körper
weit weg.
Außerdem geht es in den Gedichten nicht wie sonst oft um Informationen.
Sondern um viele Beiklänge. Die brauchen etwas Zeit, um zu wirken.
Zeile für Zeile lesen im Augenblick
Du wirst von den Gedichten mehr aufnehmen können,
wenn du sie Zeile für Zeile liest.
Wenn du sie dir vielleicht innerlich leise vorliest.
Dann kommt der Klang als Ebene mit dazu.
Vielleicht wäre es gut,
wenn du am Ende der Zeile
jedes Mal eine Pause machst.
Das Gedicht noch etwas wirken lässt,
bevor du das nächste liest.
Um das zu unterstützen, habe ich extra für den Blogartikel die Wortabstände in den Gedichten länger gemacht und Teile der „Sätze“ etwas auseinander gerückt.
Ich wünsche dir viel Freude.
Es geht los. Augen schließen.
Einatmen. Ausatmen.
Augen öffnen.
Lesen im Augenblick.
Die Sehnsucht der Künstlerin
Wenn ich keine Ablenkungen hätte
Aber viel Zeit
Wie wäre das?
Würde ich schreiben?
Elizabeth Gilbert sagt
Der Lockdown könnte sein wie ein spiritueller Retreat
Unangenehm
Aber transformierend
Die Natur sage in der Pandemie: „Halte inne!
Stopp Pause
Geh nach innen“
Für die meisten sei das unerträglich
Ich habe Sehnsucht
Nach meinem Innen
Dass ich mich dem stellen würde
Dass ich meins täte
Nach innen klappen
Aura Antennen
Nach innen klappen
Ich zuerst Empathie nach innen
Aufbauen auftanken anreichern
Hören Spüren
Heim
Schutz In der Djinnielampe
Wie lange?
Suche
Sie blättert nervös
Sie schlägt nach
Um herauszufinden
Wer sie wirklich ist
Als sie nichts finden kann
Schreibt sie selbst etwas auf
Sprudelnd
Sprudelnd von innen
Ein starker froher Lebensstrom
Ich im Zentrum des Brunnens
Fließend in innerer Fülle
Froh
Und so fühlt es sich für mich an, ein Gedicht zu schreiben. Das Gedicht ist ganz frisch:
Gedichte schreiben
Gewisperte Wahrheiten
Aufgefangene Fäden
Körperliche Zustimmung
Dialog eins zu eins
Gehirn zu Seele
Und alles gut
Gesicherte Verbindung
Ein Gedicht
Zurzeit bin ich irgendwie anders als früher. Aber noch nicht ganz fertig. Dazu das folgende Gedicht, das ich gerade heute erst geschrieben habe:
Schwellengebiet, Zwischenzustand
Was war
Ist nicht mehr
Wo bin ich hier
Im Zwischenland
Zwischen gestern
Und morgen
Es drückt mich
Und es zieht sich
Merkwürdiger Nebel
Warten ist angesagt
Warten
Und werden
Mal froh und klar
Mal niedergedrückt
Zurückgeworfen
Schwellenland
Ich bin noch nicht die
Die ich sein werde
G e d u l d
Und jetzt das letzte Gedicht. Nachts vor dem Schlafen geschrieben.
Es ist ganz kurz.
Three Good Things
Die meisten meiner Tage
Beinhalten mehr Segnungen
Als ich aufzählen kann
Ganz herzliche Grüße und alles Gute für dich
Deine Jana
Alle Gedichte Copyright 2021 Jana Lindberg
Weitere Artikel mit Gedichten
- Wachsen und gedeihen [Gedicht]
- Brief an Mutter Erde [Earth Day]
- Sommerspaziergang, Gehmeditation
- Herbstspaziergang, Gehmeditation
- Frühlingsspaziergang, Gehmeditation
Ein Tipp: Wenn du die Kategorie „Poesie-Galerie“ anklickst, bekommst du die Artikel, die viele Bilder und weniger Wörter haben. 😉
Tipp: Faszinierende Videos
Diese externen Quellen sind in den Artikel bzw. die Gedichte eingeflossen:
- Zum Thema der Gehirnhälften hier ein TEDx-Talk von Dr. Jill Bolte Taylor (E mit dt. Untertiteln), einer Neurowissenschaftlerin, die einen Schlaganfall erlitt und live zuschauen konnte, was geschah – und daraus Lehren für ein erfülltes Leben gezogen hat. Dauer 20 Minuten.
- Zum Zitat von Elizabeth Gilbert (Autorin von Eat Pray Love und Big Magic hier ein Link zu einem höchst inspirierenden Interview (Englisch) mit Elizabeth Gilbert und Julia Cameron während des Lockdowns. Dauer eine Stunde.