Meine Entdeckung der Langsamkeit

Vorsicht. Durchatmen. Dieser Text handelt von Geduld. Langsamkeit als Qualität. Meine eigene Entdeckung der Langsamkeit. Dazu trägt das berühmte Buch gerade einen Teil bei.

Das Buch Die Entdeckung der Langsamkeit kann nämlich geduldig warten. So wie seine Hauptfigur, der britische Polarforscher John Franklin. Eine historische Figur, welche durch einen nachdenklichen Schriftsteller die Eigenschaften der Langsamkeit und der Gründlichkeit verliehen bekam.

Für den Forscher interessierte sich Autor Sten Nadolny schon seit Jugendjahren. Den Roman schrieb er im Erwachsenenalter und wurde damit sehr berühmt. Auch ich habe es vor Jahren gekauft …

 

Ein Buch, das warten kann

Das Buch steht nun seit Jahrzehnten geduldig in meinem Regal und wartet auf den richtigen Zeitpunkt.

Würde ich nicht so viele Dinge behalten, anstatt sie auszusortieren, wäre es schon weg! Soviel zum Thema Kreativität und Ordnung.

Der Autor Sten Nadolny schrieb indessen weiter und brachte noch etliche weitere Romane heraus. Dazu gehört viel Ausdauer, Nachdenklichkeit, und vermutlich auch Langsamkeit.

Deutschlandfunk Kultur machte eine sehr interessante Radiosendung über den Autor, das Buch und den Schreibprozess. Siehe hier das Transkript des Radiofeatures.

 

Eine Auszeit aus der ständigen Hektik

Das Buch wartete also. Ich kannte nur die erste Seite. Die war so langsam, dass ich es damals nicht ausgehalten habe weiterzulesen! Nervöses Wesen …

Aber kürzlich kam die richtige Zeit, es zu lesen.

Und warum?

Ganz einfach: Ich bin gerade sehr viel langsamer geworden und suchte nach einer mentalen Hilfestellung.

Ich kann nämlich nicht so, wie ich will, muss mich bremsen. Muss meine Hände schonen, die ich mit Computerarbeit und anderen Aspekten modernen Lebens überlastet habe. Rote Karte.

Dabei lief doch alles so gut!

 

Überfliegermodus

Leistung, Effektivität, Checklisten, Eile.

Alles ging.

Wir suchen uns das nicht selbst aus. Gerade im Arbeitsalltag erleben das viele von uns ständig: Personalknappheit, viel zu erledigen in zu kurzer Zeit. Ganz besonders in sozialen Berufen, aber auch in vielen anderen.

Wir reagieren auf diese Mangelsituation – die wir nicht erzeugt oder erfunden haben! – und geben, was wir können. Wir beschleunigen, damit es klappt.

Die äußere und auch die innere Botschaft lautet: „Das muss gehen!“

Und dann geht das auch.

Für eine gewisse Zeit.

 

Bis wir aus der Kurve fliegen

Dieser Artikel zeigt auf, wie dieser Stressmodus funktioniert und was er bewirkt: Stress pur! Wieder mal aus der Kurve geflogen? Dieses Geheimnis steckt dahinter.

Unsere Gesellschaft und unser Arbeitssystem können uns regelmäßig an die Grenze bringen. Und wir versuchen, dem zu entsprechen.

Bis wir aus der Kurve fliegen. Bis wir wieder anfangen, auf die Botschaften unseres Körpers zu hören, die schon vorher da waren.

So läuft das nun mal. Bei sehr vielen Menschen.

 

Es gibt außerdem viele, die mit dem vorgegebenen Tempo nicht mitkönnen.

Wer körperlich oder seelisch eingeschränkt ist, braucht einfach mehr Zeit. Und Hochsensible benötigen zum Beispiel von Natur aus mehr Pausen und mehr Zeiten für sich selbst, um die vielen stark wirkenden Eindrücke zu verarbeiten.

Warum soll es so unmöglich sein, diese den Menschen zu gewähren?

Nach wem geht eigentlich der Takt in unserer Gesellschaft?

 

Plötzlich entsteht Zeit

Langsamkeit entsteht. Plötzlich habe ich Zeit zu lesen.

Um ein besonders langsames Buch zu genießen, Die Entdeckung der Langsamkeit.

Mit diesem Roman lässt uns der Autor Sten Nadolny in der deutlich verlangsamten Wahrnehmungswelt seines Helden mitreisen. Durch seine Gründlichkeit kann der erst gehänselte Junge später als Seefahrer und Forscher Dinge schaffen, die andere nicht hinbekommen.

Für mich als Leserin eine Einfädelhilfe in eine langsamere Wahrnehmung.

 

Einfädeln in eine langsamere Wahrnehmung

John Franklin überlegt sich alles mehrmals.

Er kann gar nicht schnell reagieren. Diese Fähigkeit hat er nicht.

Dafür ist er fähig zu gründlichen Gedankenprozessen.

Ich habe die Lektüre sehr genossen und kann sie weiterempfehlen. Gerade auch das Abenteuerliche erfreut, die Seefahrt, die gefährlichen Reisen, das Zeitalter der Erfindungen.

Mit den schwereren Themen (Kriegsschlachten und so), die ich normalerweise eher meide, kam ich hier ziemlich gut klar. Es ist spürend und langsam geschrieben, nicht auf Sensation aus, dadurch verträglicher.

Auch empfand ich den Autor und die Hauptfigur freundlich zu Frauen, was mir bei Lesen sehr wichtig ist.

So weit meine Buchbesprechung. Jetzt ein paar Gedanken zum Inhalt.

 

Gründlichkeit wäre gut

Gründlicher nachzudenken bedeutet mehr Achtsamkeit. Lieber noch einmal hinterfragen. Differenziert betrachten.

Dafür ist in unserem gesellschaftlichen Newsticker-Tempo keine Zeit.

Alles muss in werbeartigen Schlagzeilen transportierbar sein. Sogar der eigene Gedankenprozess! Und Geschäftsführung.

Das bringt viele von uns in Schwierigkeiten.

Gerade bei unseren aktuellen Problemen auf dem Planeten ist differenziertes Denken unendlich viel hilfreicher als die hundertste plakative Überschrift, die geklickt wird, oder polemische Aussagen in Talkshows.

 

Langsames, gründliches, konzentriertes Denken

Das langsame, gründliche Denken hat in unserem Alltag viel zu wenig Platz.

Darüber schreibt Daniel Kahnemann in seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“: Die Eile bringe schnelles Denken hervor, das unsere Urteilsfähigkeit und unsere Entscheidungen negativ beeinflusse.

Kahnemann wäre sicher begeistert von Nadolnys Kapitän John Franklin!

Kahnemanns Buch umfassst allerdings 600 Seiten und ist sehr wissenschaftlich geschrieben – ob ich das wohl lesen werde? Vielleicht …

Sicher ist:

 

Unsere Konzentration ist viel zu oft der Ablenkung gewichen

Die modernen Kommunikationsgeräte unterstützen dies noch.

Clickbaiting, Hashtags, Likes. Alarmlevel.

Suchterzeugende Kommunikation.

Davon spricht Cal Newport in seinem berühmt gewordenen TEDx-Talk Quit Social Media und schreibt darüber in seinem Buch Konzentriert arbeiten. Regeln für eine Welt voller Ablenkungen.

Dieses Buch habe ich letztes Jahr mit Interesse gelesen. Neben etwas befremdlichen Stories von Überflieger-Informatikern gibt es darin verlockende Geschichten von Forschern und Autoren, die in introvertierter Abgeschiedenheit ihre Arbeit verfolgen und ihre Werke verfassen.

 

Mehr über Konzentration

Daraus entstanden auf diesem Blog zwei erste Artikel über Konzentration:

Über einen allgemein konzentrierten Lebens- und Arbeitsstil wollte ich auch noch schreiben, aber ich kam noch nicht dazu …

Manches braucht eben einfach Zeit, bis es dran ist.

Bei mir ist ein weiteres Beispiel dafür die Arbeit mit einem Diktierprogramm!

Und zwar ist das so:

 

Diktat: Eine neue Methode zu etablieren braucht Zeit

Schon lange wollte ich lernen, Texte zu diktieren, anstatt sie mit der Hand zu tippen. Es ist mir sehr empfohlen worden von Leuten, die es erfolgreich tun.

Ist aber eine ziemlich große Umstellung, die ich bisher gescheut habe.

 

Tja. Auf einmal habe ich die Zeit dazu!

Diesen Text diktiere ich mit Punkt und Komma, in dem ich die Software „Dragon Professional Individual“ der Firma Nuance verwende. Vielleicht kann mir das künftig mein Leben erleichtern und mir mehr Schreibzeit bzw. dann Diktierzeit verschaffen.

Am Anfang jedoch braucht es länger. Ein gegenseitiges Trainieren zwischen der Software und mir.

 

Erstaunlich, was die heutige Spracherkennung zuwege bringt! Das Programm ist klasse. Und sehr handschonend.

Wenn ich mir jetzt die Zeit lasse, die es braucht, um das Diktierprogramm auf mich einzustellen, könnte das einmal eine sehr schnelle Methode werden. Die Firma wirbt damit, dass geübte Diktierende dreimal so schnell sind wie geübte Tippende.

Es ist so wie bei Momo: Manchmal müssen wir sehr langsam werden, um überhaupt vorwärts zu kommen.

Darüber schrieb ich im Artikel Willst du mehr Zeit? So bekommst du sie jetzt sofort!.

 

Ergonomisches Arbeiten

Also: Es ist wahrscheinlich, dass ich Blogartikel künftig diktiere.

Eine Ergotastatur verwende ich privat schon sehr lange.

Nun ist noch eine wunderbare Ergomaus dazugekommen: Sie schont Hand und Nacken, weil sie uns nicht – wie die normalen Computermäuse – schon durch das Halten der Maus in eine Zwangshaltung des gesamten Oberkörpers bringt.

Ich will schließlich lernen aus dem, was mir widerfährt. Ergonomische Arbeitsmittel schützen die Gesundheit.

Und nun?

Erstmal ist Handschonung angesagt. Kein ergonomisches Arbeiten.

 

Einfach Zeit

Ein Balkon.

Ein Buch.

Eine Tasse Tee.

Für manches braucht es einfach Zeit.

Durch genügend Zeit steigen wertvolle Stimmungen und Erkenntnisse auf, die es sonst nicht gegeben hätte.

Dazu gehören vor allem auch schöne, künstlerische Dinge und Handarbeit.

 

Handarbeit braucht Zeit

Um zum Beispiel eine handgemachte Keramiktasse herzustellen, wie die oben auf dem Bild, die ich von meiner Schwester geschenkt bekommen habe, braucht es auch Zeit. Das Ergebnis ist wunderschön.

Und einen Roman zu schreiben, das erfordert unglaublich viel Zeit im Vergleich damit, wie schnell die Idee auftaucht!

Wir können allen dankbar sein, die das Schreiben auf sich genommen haben. Gelesen ist das Geschriebene viel schneller… Aber der Schreibprozess ist ja so lohnend: Wir können mit der Autorin oder dem Autor auf eine innere Reise gehen, etwas völlig Neues kennenlernen. Prickelnd.

Beharrungsvermögen und Ausdauer brauchte es auch, als dieses wunderschöne Handtuch von Hand gewebt und mit einer von Hand geklöppelten Spitze versehen wurde.

Meine Patentante, deren Mutter dieses Stück vor vielen Jahrzehnten in Siebenbürgen angefertigt hat, hob es glücklicherweise all die Jahre auf und hat mir jetzt ein Exemplar geschenkt. Ein Original. Kostbar. Hier der Artikel über meine Zeitreise nach Siebenbürgen.

 

In langsamer Wahrnehmung Werte erkennen

Eine handgefertigte Tasse, ein Roman, ein handgewebtes Tuch – Kostbarkeiten, die nur langsam entstehen können.

So kommen Originale zustande.

Geduld bedeutet auch, etwas als wertvoll zu erachten.

Wir müssen langsam genug sein und genügend Kenntnis erwerben, um den Wert überhaupt zu erkennen. Nur dann heben wir es auch auf.

Aufräumen und aussortieren, schön und gut – doch das Aufheben hat auch seine Berechtigung.

 

Meine Entdeckung der Langsamkeit

Das waren ein paar Gedanken.

Mein Angebot an dich, mich auf ein paar Schritte zu begleiten bei meiner Entdeckung der Langsamkeit. Des Buchs und des Zustands.

 

Hast du auch manchmal Sehnsucht nach mehr Langsamkeit?

Wie sieht deine Entdeckung der Langsamkeit bisher aus? Hast du Situationen wie meine erlebt?

Wo könntest du mehr Zeit entstehen lassen?

Welche besonderen Orte oder Zeiten nutzt du als Oasen von Langsamkeit und Zeit?

 

Was aus meinem Prozess der Langsmkeit folgen wird, weiß ich noch nicht.

Doch ich bin sicher, er ist es wert.

 

Deine Jana

 

P.S.: Dieser Artikel beinhaltet keine Affiliate Links.

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