Dieser Artikel erzählt, was meine heimische Mittagspause mit einem Tiger zu tun hat. Die Geschichte fängt weit weg an, in Südafrika auf einer Wildnissafari.
Martha Beck hatte immer davon geträumt, einem großen Wildtier zu begegnen. Das war ihr sehnlichster Wunsch gewesen.
Aber sie hatte nicht erwartet, dass es gleich ein Rhinozeros sein würde.
Und dass es so nah wäre. Als sie von ihrer Spurensuche aufblickte, stand es direkt vor ihr.
Sie und ihre drei Begleiter erstarrten.
Das Rascheln hinter ihnen machte ihnen klar, dass sie zwischen einer Mutter und ihrem kleinen Rhinozerosbaby standen.
Eine gefährliche Situation.
Trotzdem war Martha so glücklich wie nie zuvor.
Wie im Paradies kam sie sich vor:
Ihre Kindheit hatte sie spielend verbracht, meist auf sich gestellt, in der Natur, im Dreck.
Und im Kontakt mit den Tieren, die ihre Heimat in den USA eben zu bieten hatte, Wildkatzen zum Beispiel.
Die Schule machte der kleinen Martha dann klar: Die Welt ist nicht so.
Man kann nicht einfach den eigenen Träumen nachgehen!
Sorry, der Ernst des Lebens sieht anders aus.
Nimm Vernunft an, konzentrier dich und hör auf, dich dreckig zu machen.
Der Traum blieb
Später, als Erwachsene, näherte sie sich ihrem Traum immer mehr an.
Schließlich ging sie in Südafrika auf Safari, um wilde Tiere zu sehen.
Und dann kam der Moment, wo sie mit einer kleinen Gruppe kundiger Leute einem Rhinozerosweibchen direkt gegenüber stand, in Riech-Entfernung.
Ihr Herz jubelte.
„Das Leben ist doch so!
Ich habe es immer gewusst!
Und ich hatte doch recht.“
Dieses Aha-Erlebnis prägte sich ihr ein.
Jetzt war sie sicher:
Wir können unseren Träumen folgen
Unsere Träume beherbergen das Wissen darüber, was uns am wichtigsten ist.
Sie nennt es unsere wahre Natur; was auch immer das für die einzelne Person bedeutet.
Die meisten von uns haben die Träume heimlich weggepackt und kennen sie nicht einmal mehr genau.
Ich lese daher gerne von Menschen, die ihre Träume kennen. Und umsetzen.
Das nährt die zurückhaltende Traumseite in einem ganz normalen Leben.
Was Martha Beck im nächsten Moment erlebte, war die Macht tiefer innerer Ruhe.
Die anderen drei in der Gruppe beherrschten diese Kunst.
Und auch Martha hatte diese Fertigkeit schon erlernt.
Tiefe innere Ruhe
Statt in Schreck zu verfallen und die arme Rhinozerusmama noch zusätzlich zu erschrecken, wechselten alle in den Modus der Stille.
Mit tiefem Atem und einem sanften Fokus der Augen in die Stille gleiten.
Einer Stille, die sich mitteilt.
Und sie teilte sich mit.
Alle Anwesenden entspannten sich.
Die vier Menschen.
Das kleine Rhinobaby.
Und die Rhinomama.
Und irgendwie gelang es: Alle gingen im Frieden auseinander, als wäre nichts gewesen.
Ein guter Moment.
Martha Beck schrieb ein Buch über ihre Erfahrungen, aus dem ich diese Geschichte auch habe, zu deutsch Finde deinen Weg in einer wilden neuen Welt, und hielt einen Vortrag über die Vier Methoden der Magie, der auf YouTube bislang 100.000 mal abgerufen wurde (beides auf Englisch; Buch hier und TEDx-Talk hier).
Ein intuitiver, präsenter Lebensstil
Szenewechsel. Zwölf Jahre später.
Ich bin in Martha Becks Online-Kurs über die vier Methoden der Magie.
Mit Wildnis habe ich nichts am Hut; aber ihre psychologischen Erkenntnisse faszinieren mich.
Denn eigentlich geht es darum, das Unbewusste mehr in unsere Handlungen einzubeziehen.
Es geht um das Navigieren durch die Stromschnellen des Lebens aufgrund von Intuition und innerem Wissen.
Und um ein Leben auf der Basis von Kreativität.
Das Versprechen ist:
- Weniger Stress, Angst, Kontrollwahn, Anspannung.
- Mehr Ruhe, Flow, Phantasie. Und bessere Ergebnisse bei allem, was wir tun.
- Das eigene Leben auf neue Weise gestalten.
Genau das will ich!
Die erste Technik ist: Stille
Wortlosigkeit ist die erste Lektion. Tiefe innere Ruhe.
Ich mache schöne Erfahrungen ohne Sprache.
Einfach da sein. Es ist wirklich möglich. Allein dafür hat der Kurs sich schon gelohnt.
Ich schrieb hier darüber: Wortlosigkeit leicht gemacht: 9 Wege, in die Stille abzutauchen [nach Martha Beck].
Die zweite Technik ist Verbundenheit aus dieser Stille heraus.
Und das sollen wir üben, zum Beispiel mit Tieren.
Und ich übe.
Der Gedanke beim Üben ist:
Wenn wir uns auf die Frequenz von Wortlosigkeit einstimmen, auf der sich Pflanzen und Tiere (insbesondere Wildtiere) vermutlich aufhalten, können wir einen intensiven Kontakt zu ihnen bekommen.
Wird glatt versucht!
In stiller Verbundenheit mit Tieren
Ich übe, wie es sich ergibt – mit den Wesen, die mir von sich aus begegnen.
Naja, ehrlich gesagt sind das Fliegen und Wespen.
Es geht klasse!
Sie werden viel ruhiger, wenn ich in die Wortlosigkeit gehe. Und nerven weniger.
Oder macht mir ihre Nähe weniger aus, weil ich viel ruhiger werde?
Auf jeden Fall wirkt es.
Auch mit einem Schmetterling übe ich.
Noch nie habe ich so genau einen Schmetterling gesehen. In idyllischer Zeitlosigkeit.
War das eine Begegnung? Von meiner Seite aus schon.
Aber eines Nachmittags fällt mir ein: Wir haben doch ein Raubkatzenasyl in der Nähe, und ich war da noch nie!
Dort bekommen Raubkatzen eine Bleibe, die illegal eingeführt und dann beschlagnamt wurden.
Ob ich da Kontakt mit einem Tier aufnehmen kann?
Auf dem Heimweg von der Arbeit fahre ich dort vorbei.
Raubkatzenasyl in Mittagshitze
Das Raubtierasyl war geschlossen.
Alle hatten Mittagspause, auch die Tiere.
Doch über die Mauer konnte ich an einer Stelle die Käfige sehen.
Und es roch streng.
Ich versuchte, etwas zu sehen.
Ist da wer? Da bewegt sich doch was?
Tatsächlich. Ein Raubierschwanz! Aufregend.
Ich erkenne ein gestreiftes Rückenfell. Schön!
Ein Tiger, das ist also meine Chance zur wortlosen Kommunikation.
Kann ich das Tier auf mich aufmerksam machen?
Rufen gilt nicht. Es muss in Stille sein.
Und es ist auch ganz schön weit weg.
Innerer Frieden. Wortlosigkeit.
Ich versuche, alle Wörter fallenzulassen und nur da zu sein.
Der Tiger hatte alle Zeit der Welt.
Das Stück Rücken, das ich sehen konnte, war tiefenentspannt relaxed wie ein Baby.
Sowas von entspannt! So richtig träge, müde, faul, platt, matt.
Das Wichtigste war die Mittagspause. Nichts anderes zählte.
Also mache ich das auch. Atmen. Entspannen, entspannen …
Das Tier sah erst nach mir, als ich mich zum Gehen wandte. (Als ich es nicht mehr versuchte?)
Das wunderschöne, gefürchtete, majestätische Geschöpf hob den Kopf und sah in meine Richtung.
Ich war ganz da.
In dem Moment konnte ich kein Foto machen, nur gucken und spüren.
Dann öffnete das Tier sein Maul für ein herzhaftes Gähnen.
Wow. Das Maul ist wirklich groß! Und die Eckzähne wirklich lang.
Ich war auf einmal verflixt dankbar, dass ein Gitter zwischen uns war.
Dann hatte der Tiger genug gesehen und ließ sich matt absinken, um weiter zu dösen.
Dösen in der flirrenden Hitze war das einzige, das zählte.
Das gestreifte Rückenfell blieb sichtbar.
Mittagspause machen
Da legte ich mich vor das Raubtiergehege ins knisternd trockene Gras, um ebenfalls eine Mittagspause zu machen. Ich sah hinauf in die Bäume.
Schließlich, warum so eilig?
Das wäre doch gelacht!
Wie komme ich mir denn vor?
Während die Raubkatze tiefenentspannt herumhängt, hopse ich nervös auf und ab wie Dudley Dursley, der die Riesenschlange im Zoo auf sich aufmerksam machen will, oder was?
Geht gar nicht!
Lieber will ich auch Pause machen.
Kontakt heißt jetzt, mich auf die entspannte Frequenz zu begeben, wo das Wildtier auch ist.
Ich lasse mich in die Entspannung fallen.
Liege auf dem Boden.
Wortlose Stille.
Blätter rauschen über mir. Hitze. Blauer Himmel.
Keine Wörter.
Grillen zirpen.
Von Ferne irgendwelche Geräusche aus der Welt.
Träge, vibrierende, abwartende Stille.
Hier passiert gar nichts.
Und immer noch nichts.
Ich kam an.
Tiger gucken
Dann bin ich ausgeruht und entspannt. Mittagspause beendet.
Ich denke, ich mache noch einen Versuch!
Ich setze mich auf, stelle mich noch einmal an die Mauer und sehe nach dem Tiger.
In Wortlosigkeit.
Ich denke daran, dass Tiere nicht die ganze Zeit Gequassel im Kopf haben wie wir.
Der Tiger ist nur da.
Das will ich auch.
Schwebende Stille.
Hören, sehen. Da sein.
Bin ich im selben sprachlosen Feld wie er?
Und tatsächlich hob er nach einer Weile noch einmal den Kopf und sah in meine Richtung.
Aufregend und schön.
Ich war einfach nur da.
Danach machte sich die wunderbare Katze den Aufwand, sich auf die andere Seite sinken zu lassen, und entzog sich so meinen stümperhaften Kommunikationsversuchen.
Ich aber fuhr glücklich nach Hause.
Begegnung in Wortlosigkeit
Ich habe in der kurzen Zeit vor allem eines gelernt:
Der Tiger hatte viel mehr Zeit als ich.
Über dem ganzen Areal lag eine flimmernde Siestastimmung.
Es geschah nicht viel, und das würde auch weiter so bleiben.
Von dieser Ruhe kann ich mir wirklich eine Scheibe abschneiden.
Mittagspause, Tiger-Siesta
Das Ganze kann man sicher als Mikro-Abenteuer bezeichnen. Doch für mich war es etwas Besonderes, etwas Neues, und hat mich bereichert:
Daheim nahm ich mir ein Beispiel am Tiger.
Ich legte mich in der sommerlichen Wärme meines abgedunkelten Zimmers zur Siesta hin.
Mich so sehr entspannen, wie es die mächtige, angstfreie Raubkatze getan hatte.
Die Erinnerung war in meinem Körper, und ich schlief tief relaxed, bis ich nach 40 Minuten ausgeruht und träge wieder erwachte.
Was ich von der Mittagspause mit Tiger gelernt habe: mehr entspannen.
Körperlich und mental: viel mehr loslassen.
Dieses Tier ist angstfrei und in der Natur weitgehend konkurrenzlos.
Selbstbewusst entspannt.
Das will ich auch.
Das Gewicht meines Körpers an die Unterlage abgeben, gaaaanz entspannt.
Jetzt nenne ich meine Pause Tigersiesta.
Welche Erfahrungen mit Wortlosigkeit in der Natur hast du gemacht?
Kennst du die sprachfreie Kommunikation mit Tieren?
Lass es mich in der Kommentarzeile unten wissen.
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